Die Gesetzeslage zum Ausbau von Windkraft ist komplex!

Übersicht über die rechtliche Situation im Bereich Baumberge und ihre Konsequenzen

Übersicht:

Die Rechtslage ist schon allein wegen der ca. 50 Änderungen, die der Gesetzgeber in der laufenden Legislaturperiode vorgenommen hat, unüberschaubar und für die in der Regel nicht juristisch vorgebildeten Entscheidungsträger vor Ort fast schon eine Zumutung. Die wohl wichtigsten Regelungen sind dabei die folgenden:


1. Gesetz zur Erhöhung und Beschleunigung des Ausbaus von Windenergieanlagen an Land v. 20. Juli 2022 (wirksam zum 1.2.2023).
Dieses ist als Rahmen- bzw. Artikelgesetz gestaltet und hat, wie der Name sagt die Beschleunigung des Ausbaus von Windkraft (WK) an Land zum Ziel und installiert bzw. ändert folgende Regelungen:

Art. 1: Windenergieflächenbedarfsgesetz – WindBG – v. 20.7.2022
Wichtig ist § 3: Verpflichtung der Länder zur Ausweisung eines bestimmten Prozentsatzes von Flächen (sog. Flächenbeitragswerte = Anlage 1 des Gesetzes) für WK-Ausbau. Bereits durch gültige (d.h. nicht rechtswidrige) FNP ausgewiesene Flächen sind anrechenbar (§ 4). Das BM für Wirtschaft und Klimaschutz stellt die
Zielerreichung oder -verfehlung zum 30.06.2024 fest (Anm.: dieser Termin konnte nicht gehalten werden)


Art. 2: Änderung des Baugesetzbuchs – BauGB in der Fassung (idF.) v. 3.11.2017
Für die einzelnen Gemeinden ist insbesondere der neue § 245e I 1 Sätze 6 u. 7 BauGB von Bedeutung: Dabei kann von dem Planungskonzept, das der Abwägung über bereits ausgewiesene Flächen zu Grunde gelegt wurde, abgewichen
werden, sofern die Grundzüge der Planung erhalten bleiben. Von der Wahrung der Grundzüge der bisherigen Planung ist regelmäßig auszugehen, wenn Flächen im Umfang von nicht mehr als 25 % der schon bislang ausgewiesenen Flächen zusätzlich ausgewiesen werden. (Anm.: ob dies z.B. in Billerbeck (BB) am Gantweg der Fall ist, könnte man diskutieren.)


Art. 3: Änderung des Raumordnungsgesetzes v. 22.12.2008
Enthält im Wesentlichen einen Vorbehalt des BM bei Artenschutz in Raumordnungsplänen.


Art. 4: Änderung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes v. 21.7.2014
Beschreibt im Wesentlichen die Einsetzung und Funktion eines sog. Koordinationsausschusses zum Monitoring der Flächenziele des Anhangs 1 WindBG.


2. Gesetz für den Ausbau erneuerbarer Energien (Erneuerbare-Energien- Gesetz- EEG 2023 v. 21.7.2014 idF. v. 8.5.2024
Konkrete Einzelregelungen enthält das Gesetz weniger; wichtig ist in erster Linie § 2 (Besondere Bedeutung der erneuerbaren Energien): „Die Errichtung und der Betrieb von Anlagen sowie den dazugehörigen Nebenanlagen liegen im überragenden öffentlichen Interesse und dienen der öffentlichen Gesundheit und Sicherheit. Bis die Stromerzeugung im Bundesgebiet nahezu treibhausgasneutral ist, sollen die erneuerbaren Energien als vorrangiger Belang in die jeweils durchzuführenden Schutzgüterabwägungen eingebracht werden.“ (Anm.: dies ist h.E. eine stark politisch – um nicht zu sagen: ideologisch – gefärbte Sichtweise).


3. BauGB bes. § 35 I Nr. 5 iVm. III S3 und § 245e (= isolierte Positivplanung, s.o.)


4. BNatschG § 26 III (Anm.: eine extrem wichtige Regelung!!): terminiert iVm. § 3 WindBG die Ausnahmestellung der WKA außerhalb bestehender Regionalpläne de facto auf ca. Ende 05/2025 (voraussichtl. Zeitpunkt der Feststellung der Errei-
chung der Flächenbeitragswerte im MS-Land). Vor allem hieraus ergibt sich der zZt. herrschende Zeitdruck für die Investoren.

 

Konsequenzen

1. Es besteht keine gesetzliche Pflicht einer Gemeinde in NRW, in puncto WK- Ausbau tätig zu werden; die §§ 35 I Nr. 5 iVm. III S3 und 245e BauGB (die vorerwähnte isolierte Positivplanung) eröffnen lediglich die Möglichkeit dazu!


2. Ob eine Gemeinde tätig werden will, liegt folglich in ihrem Ermessen.
Dieses übt der Rat im Rahmen der für sein gesamtes Handeln geltenden Grundsatznorm des § 43 GO NRW aus, wonach die Ratsmitglieder verpflichtet sind, in ihrer Tätigkeit ausschließlich nach dem Gesetz und ihrer freien, nur durch Rück-
sicht auf das öffentliche Wohl bestimmten Überzeugung zu handeln.


Zur Beantwortung der Frage, wie dieses öffentliche Wohl definiert und an welchem Maßstab es zu messen ist, können die in den Gesetzen, insbesondere im Grundgesetz (GG), geschützten Rechtsgüter herangezogen werden. Diese sind zu
identifizieren und gegeneinander abzuwägen, und zwar nach Ermittlung ihrer Wertigkeit und des Grades und Maßes ihrer Betroffenheit/Beeinträchtigung.


3. Diese Abwägung ist das Kernelement der Entscheidung. Es gibt den Entscheidungsträgern ein Ermessen, das wiederum nach bestimmten rechtlichen Regeln ausgeübt werden muss. Unter anderem müssen alle relevanten
Parameter ohne sachfremde Erwägungen berücksichtigt und richtig gewichtet werden, sonst ist die Abwägung fehlerhaft (man spricht dann je nachdem von Ermessensausfall oder Ermessensdisproportionalität).

Die Räte haben die Wahl

Der Prozess, der letztlich über die Zukunft der WK in der Region entscheidet, ist also eine Abwägung. Sie muss die positiven Seiten betrachten, darf aber auch vor den negativen Auswirkungen, die mit Bau und Betrieb der mittlerweile monströsen Anlagen einhergehen (Altlasten, Gefährdung verschiedener Tierarten, Zerstörung von Natur und Landschaft usw. usf.) die Augen nicht verschließen. Auch nicht augenfällige Parameter (wie Subventionen und z.B. 2021 allein ca. 1 Mrd € für sog. Geisterstrom sind) wären einzubeziehen. Dieser Abwägungsmechanismus und die dafür relevanten Parameter müssen sich auch in den derzeit in BB und HVX geplanten Leitlinien wiederfinden.


Letztlich ist die Grundsatzentscheidung zu treffen, wie die Baumbergegemeinden sich in Zukunft (und zwar langfristig) selber sehen wollen:
Sollen die Orte und ihre Umgebung ihren besonderen, wertvollen und schützenswerten Charakter behalten oder verlieren, was bei einem Ausbau der WK in der angedachten Form mit einem Zuwachs von bis zu 600% (in BB)
zwangsläufig und nicht zu verhindern wäre (wie auch bereits die bisher angefertigten Visualisierungen klar erkennen lassen)?


Welchen Sinn machte eine erhebliche Beeinträchtigung gerade von besonders wertvollen Landschaften und Orten und ihrer Funktion als Erholungsstätten, wenn weder das Gesetz noch die Ausbauziele des Staates dies fordern noch sie zurzeit eine effektiven Beitrag zum Klimaschutz (kein lokales sondern ein globales Phänomen) leisten würde? Sie würde ohne Not und letztlich sinnlos erfolgen.


Den Nutzen davon hätten lediglich die Hersteller der Anlagen und die Investoren, also eine überschaubare Gruppe, den Schaden die Mehrzahl der Anwohner, die Allgemeinheit und die Natur, besonders die Fauna. Die Ermittlung der Verhältnismäßigkeit von Nutzen und Schaden, letztlich das Ziel jedes Abwägungsprozesses, führt damit zu dem Ergebnis, dass der Schaden des geplanten WK-Ausbaues zumindest zurzeit den Nutzen
überwiegen würde.

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